Diverse beeindruckende Erinnerun-gen meiner Botswanareise 2017 sind an Begegnungen mit den San geknüpft.
Viel ist über dieses Urvolk und seine aktuellen Probleme geschrieben worden, umso mehr war ich natürlich auf die persönliche Begegnung und die Sichtweise der San gespannt. Natürlich wollte ich diese Menschen auch unbedingt in ihrer natürlichen Umgebung fotografieren, sofern das noch möglich ist.
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Bereits auf meiner ersten Botswanareise in 2014 wollte ich gern zu den San, manchmal geht eben nicht alles nach Plan auf einer Afrikareise und so konnte ich die San leider aufgrund von Zeitmangel nicht besuchen..
Auf der diesjährigen Reise gibt es gleich mehrere Gelegenheiten mit den San in Kontakt zu kommen, es geht in die Central Kalahari, einem der letzten Rückzugsgebiete der San im südlichen Afrika. Allerdings ist es selbst im nirgendwo der Kalahari nicht mehr einfach noch traditionell lebende San zu treffen.
Die San sind ein Urvolk bei dem sich die Wissenschaftler darüber uneins sind, ob die San nun seit ca. 10.000 oder 25.000 Jahren im südlichen Afrika leben und ob der Genpool für diesen Zeitraum komplett isoliert war, bzw. eine Durchmischung mit Genen aus Europa erfolgt ist.
Für mich ist das einfach nur eine unvorstellbar lange Zeit. Es ist kaum vorstellbar, dass die San vor langer Zeit im gesamten südlichen Afrika stark verbreitet waren und dann immer weiter in die buschigen Wüsten und letztendlich in die Kalahari zurückgedrängt worden sind.
Dieser Rückzugsort ist mittlerweile auf das Gebiet des Central Kalahari Game Reserve geschrumpft und auch das ist nicht mehr zeitgemäß, denn viele San sind bereits und werden immer noch aus der Central Kalahari in kleine Dörfer außerhalb des Reserve mehr oder weniger freiwillig umgesiedelt.
Es ist kein Wunder das dieser Status Quo zu Spannungen führt und auch Gerichtsverfahren nach sich zieht. Ich persönlich fühle ich mich da direkt an das Schicksal der Indianer und vieler anderer Urvölker erinnert. Doch in diesem Fall wird niemand umgebracht und die Sachlage ist auch nicht so klar schwarz weiß, wie es einem die jeweiligen Vertreter weismachen wollen.
Für mich ist jedenfalls offensichtlich, die San sind perfekt in die Umgebung Wüste und Busch eingenischt. Der durchschnittliche San ist klein und überragt den Busch nicht, die Haut ist dunkelbraun und nicht schwarz, der Körper ist sehnig und nicht muskulös. Darüber hinaus ist die Körperbehaarung inklusiver der Kopfhaare auf ein Minimum reduziert. Das wichtigste Merkmal zum Schluss, ein San braucht nur sehr wenig bis gar kein Wasser!
Die San sind eines der wenigen verbliebenen sehr alten Urvölker und ich bin sehr gespannt, als wir unser erstes Ziel, die Grassland Bushmen Lodge ca. 100 km östlich von Ghanzi und ca. 100 km westlich von der Central Kalahari entfernt.
Am kommenden Morgen fahren wir zu einer Gruppe von 8 San, die auf dem Gelände der Grassland Lodge leben. Eine Gruppe von San ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit Familie, denn die San leben in gesellschaftlichen Gruppen, die sich gegenüber wohlgesonnen sind. Das kann und ist in der Regel auch immer ein Teil der Familie.
Wer gegen die gesellschaftlichen Regeln verstößt, der wird im schlimmsten Fall aus der Gruppe ausgeschlossen.
Ich stand erst mal vor der Herausforderung von der Gruppe akzeptiert zu werden, um auch fotografieren zu können. Glücklicherweise sind wir heute die beiden einzigen "Touristen" und ziehen mit den San allein los.
Ein Mal links vom Sandweg abbiegen und schon sind wir mitten im Busch. Die San beginnen nach essbaren Pflanzen und Wurzeln zu suchen oder sammeln Nüsse vom Boden auf.
Ganz langsam werden wir zu einem Teil der Gruppe und die einzelnen Mitglieder der Gruppe beginnen uns von den Wirkungen der einzelnen Pflanzen zu erzählen.
Die San sind unglaublich höfliche und zurückhaltende Menschen. Sie warten erst mal ab, versuchen den Gegenüber zu verstehen und lassen sich keine Regung vom Gesicht ablesen.
Nachdem die San allerdings feststellen, dass wir wirklich interessiert sind an Ihnen als Menschen, an der San Kultur und an der Vielfältigkeit der Natur beginnen sie aufzutauen und wir bekommen immer mehr gezeigt und vorgeführt.
Die San sind sehr stolze Menschen und das im Besonderen in Bezug auf ihre Kultur.
Am richtigen Ort wird Feuerholz gesammelt und wir werden in die hohe Kunst des Feuer machens mit Stöcken eingewiesen, die größte Errungenschaft der San und ihr größter Schatz bis heute. Es ist wirklich toll, mit welcher Hingabe sie das Feuer machen demonstrieren. Das ich das auch bereits als kleiner Junge gemacht habe und Ihnen behilflich sein kann verschweige ich in diesem Moment.
Kaum ist das Feuer entfacht werden die ersten Nüsse geröstet, wurzeln geschält und ein paar Minuten später teilen wir alles gemeinsam.
Wir lernen, wie die San aus Blättern Seile herstellen, die als Schnur für Fallen benötigt werden, um das wichtigste Tier in der Sankultur, den Steenbock zu fangen. Jede Faser eines Tieres wird verwendet, wie alles hier im Busch. Die Hörner dienen als Kopfschmuck, das Fell als Kleidung und als Rucksack für die Habseligkeiten eines San.
Langsam beginne ich zu fotografieren. Ich habe das Gefühl die San beginnen mich zu akzeptieren. Es ist sandig, die Lichtverhältnisse sind um halb neun alles andere als gut, die Sonne steigt gnadenlos am Horizont hinauf, die Schatten werden härter und ich schwitze...
Mir ist bewusst, ob ich noch mal so eine Chance bekomme ist ungewiss - ganz allein mit einer Gruppe von San im Busch - und fotografiere so viel und gut es geht.
Der Anspruch innerhalb von 1,5 Stunden und während eines ersten Kennenlernens besondere und authentische Fotos zu machen, die professionelle Fotografen sich in Tagen oder Wochen erarbeiten ist utopisch und doch bleibt der Anspruch bestehen.
Die San machen es einem sehr einfach, noch nie habe ich ein so zurückhaltendes und gleichzeitig freundliches Volk kennengelernt
Während wir im Busch sind fühle ich mich als Teil der Gruppe und tauche ein in das Leben und den Alltag der San, der auf den ersten Blick sehr anziehend wirkt, aber im Nachhinein auch Schattenseiten birgt.
Schweren Herzens aber glücklich trennen ich mich nach unserem gemeinsamen Buschwalk von den San für das Erste. Umso mehr freue ich mich zu erfahren, dass die Gruppe am Abend zu uns kommt und uns die traditionellen San Gesänge und Tänze vorführen wird.
Zum Abschied bleibt die Erkenntnis aus der Retrospektive, die San Begegnungen auf der Safari Grassland Lodge waren die einzig wirklich authentischen Begegnungen. Es handelt sich um San die noch auf die alte traditionelle Art und Weise leben und das ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern vielmehr eine Ausnahme.
Auf unserer Reise durch die Central Kalahari treffen in unserer Lodge, dem Tao Pan Camp, auf Vota unseren Tracker und San Häuptling. Von ihm lerne ich, dass es nur noch eine Hand voll von San Siedlungen im Central Kalahari Game Reserve gibt.
Vota ist ein großer Mann für einen San, kräftig und gut genährt, man sieht es ihm an das er nicht im Busch überleben muss. Vota spricht hervorragendes Englisch, der Busch ist sein zu Hause und hier macht ihm niemand etwas vor, er kennt jeden Stein ja jeden Grashalm hier in der Umgebung...
Vota ist stolz auf seinen Job, Tracker zu sein in einer der wenigen Lodges in der Central Kalahari, und das kann er auch sein. Der Schlüssel für Vota`s Erfolg liegt in seinen überragenden San Fähigkeiten in der Natur zu überleben, seiner Englischkenntnissen und damit seiner schulischen Bildung sowie seinem freundlichen Wesen.
Leider ist auch heute immer noch und gerade in einem "relativ" reichen Land wie Botswana das Thema Schule und Bildung immer noch ein großes Problem und natürlich das Aussterben der San Kultur.
Egal wo wir gerade unterwegs sind, ich frage all unsere San Guides und Tracker, wie sie die Lage der San in Botswana und für sich selbst einschätzen (z.B. in der Dinaka Safari Lodge).
Erstaunlicherweise ist die Antwort stets positiv. Die Regierung gibt ihr bestes und tut viele gute Dinge. Es ist schön ein Bett zu haben und eine warme Dusche. Natürlich sind dies durch die Blume gesagt alles Floskeln, einem Touristen bindet man nicht seine Probleme auf, schon gar nicht im zurückhaltenden Botswana. Eine Dusche haben nebenbei bemerkt nur die allerwenigsten San, die meisten haben nicht mal Zugang zu fließend Wasser...
Bei genauerem Hinsehen wird die ganze Problematik offensichtlich und ist in vielerlei Hinsicht analog zu den Problemen anderer Urvölker.
Das Kernproblem ist auch hier eine gesellschaftliche Veränderung und nicht das Aussterben der Sankultur aufgrund von Verdrängung aus dem Busch der Central Kalahari. Natürlich spielt auch dieses Argument eine wichtige Rolle, ist aber nach meinem Verständnis nicht das entscheidende Argument.
Selbst die San können und wollen sich der Globalisierung, Digitalisierung und anderen Errungenschaften der Neuzeit nicht verschließen. Ganz klar ist hier die junge Generation vorneweg, sie will sich einem modernem Leben nicht länger vollständig verschließen, zu verlockend sind Handy, Internet, You Tube und leider auch der teuflische Alkohol.
Dieser Wandel führt zum oder hat bereits zum Aussterben der gelebten Sankultur geführt. Aber auch diese Erkenntnis ist nicht schwarz oder weiß. Nur die San mit Setswanakenntnissen und besser zusätzlichen Englischkenntnissen haben eine Chance auf einen Job und damit auf ein gesichertes Einkommen.
Zur Schule gehen jedoch bei weitem nicht alle San, zum einen da sie im Busch oder in kleinen Siedlungen zu weit von der Schule entfernt wohnen, zum anderen laufen viele Kinder infolge von Heimweh aus der Schule wieder nach Hause.
Für mich stellt sich die Frage der Zukunft der San unabhängig von ihrer Kultur. Natürlich finde ich es schrecklich, dass diese uralte Kultur quasi ausgestorben ist. Denn gerade diese Lebensweise hat viele der Stärken der San hervorgebracht und geformt, sie sind überaus mutig, fleißig, unglaublich geduldig und sehr problemlösungsorientiert.
Ihre größte Stärke ist jedoch ihr Naturwissen und ihre Fähigkeit mühelos in der Natur zu überleben. Gerade diese Fähigkeit plus Englischkenntnisse prädestinieren sie quasi als die besten Guides in der Safaritourismusindustrie.
Die San stehen wahrscheinlich vor ihrer größten evolutionären Herausforderung, sie müssen sich neu erfinden und die Reste ihrer traditionellen Lebensweise mit der modernen Gesellschaft in Einklang bringen. Aus meiner Sicht kann der Schlüssel, wie so häufig, nur in einer wesentlich verbesserten Bildung liegen.
Vom Staat Botswana hätte ich effektiveres Handeln erwartet, insbesondere in einem relativ reichen Entwicklungsland wie Botswana.
San Dörfer, wie z.B. Dekar in der Nähe von Ghanzi, sind immer noch wirklich sehr arm. Teilweise geht es immer noch darum eine ausreichende Wasserversorgung zu sichern.
Menschen haben zwar ein kleines Stück Land vom Staat bekommen, haben aber ansonsten nichts, d.h. sie schlafen unter einer Plastikplane auf vier Stöcken.
Die Regierung versucht zwar anhand des Gießkannenprinzips Hilfestellung zu leisten, diese erfolgt aber nach keinem stringenten Plan.
Auf der einen Seite ist es gut den Menschen einen Wassertank auf ihrem Grund und Boden zu schenken und auch ein Vogel- und Insektenschutznetz für das Gemüsebeet zur Verfügung zu stellen, damit die San sich eine neue Existenz aufbauen können.
Auf der anderen Seite ist es nicht sinnvoll, dass Wasserpumpen nicht funktionieren und die San auch keine Kenntnisse über den Gemüseanbau haben, sie sind schließlich Jäger und Sammler, und auch nicht entsprechend geschult werden.
Keine Frage, die Verantwortung ist nicht allein beim Staat zu suchen. Viele San haben ihren Platz in der neuen Gesellschaft noch nicht gefunden und verharren antriebslos auf ihrem Stück Land. Die Lösung eines komplexen Problems braucht wie immer Zeit und eine Lösung ist keinesfalls absehbar.
Bewusst gehe ich in diesem Blogpost nicht auf die Vorwürfe der Vertreibung der San aus dem Central Kalahari Game Reserve und die Gerichtsverfahren ein und die Theorien darüber, ob sich in diesen Gebieten wohl möglich auch noch Diamanten befinden (im Moment sind die Mienen im südöstlichen Teil, außerhalb des San Siedlungsgebietes) ein.
Ich möchte auch nicht die Art und Weise der Umsiedlung kommentieren, ebenso wenig die Theorien, dass Vieh von den San die Antilopenpopulation der Central Kalahari aufgrund neuer Keime bedroht.
Heutzutage gibt es ein striktes Jagdverbot im ehemaligen Jagdstaat Botswana, welches ich als Naturliebhaber und Vegetarier natürlich sehr schätze. Allerdings ernähren sich die San seit Jahrtausenden von Antilopen die sie jagen und heute offiziell nicht mehr jagen dürfen.
Es gibt aber auch viele positive Beispiele, die kleiner von NGO`s oder lokalen Communities zum Beispiel. So gibt es im Dorf Dekar das Kuru Art Project in dem San künstlerisch tätig werden können und ihre Kunst vor Ort und im Internet verkaufen. Nebenbei bleibt die Kultur der San zumindest in Teilen lebendig und die Menschen haben eine sinnvolle Aufgabe.
Ein mir besonders am Herzen liegendes NGO Projekt ist mosaicoeuroafricano in der Nähe des Edo`s Camp im Raum Ghanzi. Es handelt sich um einen Kindergarten für die kleinsten der kleinen Kinder bis zum Primarschulalter. Die Kinder werden hier liebevoll von mehreren Erzieherinnen in unterschiedlichen Altersklassen in einem eigens aus Spendengeldern errichteten Gebäude betreut und unterrichtet.
Die Kinder bekommen warmes Essen sowie Kleidung und andere Dinge aus den privaten Spendensammlungen aus Italien der Familie der Eigentümer des Edo`s Camp.
Das mosaicoeuroafricano hat mich tief beeindruckt und mir in der Realität vor Augen geführt, dass NGO`s um ein vielfaches erfolgreicher sind und effektiver mit vorhandenen Mitteln umgehen als staatliche Hilfsprojekte.
Es braucht aus meiner Sicht viel mehr privates Engagement, insbesondere da es bei staatlichen Projekten bereits an so einfachen Dingen, wie z.B. der Dokumentation des Projektfortschrittes mangelt und Spendengelder internationaler Organisationen deshalb nach der ersten Zahlung oftmals eingestellt werden müssen.
Entwicklungshilfe in Afrika ist ein mühsamer und steiniger Weg, genauso wie der Weg der San beim Finden ihres Platzes in einer neuen Gesellschaft.
Ich wünsche den San von Herzen alles Gute, sie haben mich in vielerlei Hinsicht tief beeindruckt und zum Nachdenken über mich selbst gebracht. Die moderne Gesellschaft kann noch eine Menge von dieser uralten aussterbenden Kultur lernen...!
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Faces of Botswana ist eine neue Serie deren Idee mir auf unserem letzten Urlaub im Oktober 2017 in Botswana kam.
Natürlich kommt man als Selbst-fahrer täglich mit einheimischen im südlichen Afrika in Kontakt. Doch irgend etwas war anders dieses Mal.
Ihr seid auf der Suche nach Einsamkeit pur und unendlicher Weite, dann seid ihr im Central Kalahari Game Reserve in Botswana genau richtig. Mit 50.000 km2 ist das Central Kalahari Game Reserve das zweitgrößte Game Reserve auf der Welt...
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wrBEIRqX (Montag, 19 September 2022 19:38)
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