reisebericht favela rocinha, ein abstecher in das andere rio de janeiro

streetphotography rio de janeiro brasilien favela rocinha

Im August 2017 hatte ich die Möglichkeit ein paar Tage nach  Rio de Janeiro, zu fahren. Eine willkommene Abwechslung, insbe-sondere da es für mich die erste Station in Brasilien und auch in Lateinamerika ist.

 

Erst einmal in Rio angekommen, besiegt die Neugierde schnell die Vorurteile und lässt mich nicht mehr los. So zieht es mich, neben den "normalen" Touristenattraktionen, auch in eine Favela, genauer gesagt nach Rocinha...

reisebericht favela rocinha rio de janeiro brasilien

 

Über Favelas und Townships hört und liest man viel bei uns in den Medien und irgendwie hat jeder seine ganz eigenen Vorurteile.

 

Kurz vor meinem Abflug von Hamburg nach Rio wird in den Medien darüber berichtet, dass die Mordrate in Rio im Juli 2017 bereits höher liegt als in 2016, die Hotelreservierungen drastisch zurückgehen und der Präsident 8.500 Soldaten bis zum Ende des Jahres nach Rio entsandt hat, um die Straßen sicherer zu machen.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Natürlich verschwende ich vorab auch einen Gedanken daran, obwohl ich bereits mehrere Townships in Afrika besucht  habe.

 

Also bestelle ich mir erst mal einen Reiseführer von Lonely Planet und mache mich auf die Suche nach Favela Tours. Schnell werde ich fündig und entscheide mich eine Tour mit dem lokalen Guide Paullo zu buchen, der auch seit einer gefühlten Ewigkeit in der Favela lebt und damit fast jeden kennt.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Rocinha ist ein Stadtviertel Rio de Janeiros im südlichen Teil der Stadt. Das Viertel entwickelte sich aus einer Favela, umfasst aber mittlerweile meist Wohnhäuser mit legalisierten Besitzverhältnissen. Die Sozialstruktur der Einwohner sowie die immer noch überwiegend einfache Ziegelbauweise der Häuser führt dazu, dass die Bezeichnung Favela auch nach der Anerkennung als offizieller Stadtteil Rio de Janeiros verwendet wird. 

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Rocinha erstreckt sich über einen steilen Berghang und überschaut, etwa einen Kilometer vom Strand entfernt, die Stadt. Es leben dort geschätzt zwischen 50.000 (letzte offizielle Erhebung) und 180.000 Menschen (Schätzung der Bewohner).

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Rocinha wurde vor den olympischen Spielen befriedet, d.h. die Polizei rückte ein und es gab keine Gegenwehr seitens der Bewohner. Befriedet heißt natürlich nicht, dass es keine Kriminalität oder Drogenbanden mehr gibt, sondern vielmehr das die Polzei auf den Straßen ist.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Um nach Rocinha zu kommen, fahre ich direkt mit der Metro von der Copacabana bis nach São Conrado, dem Haupteingang Rocinhas.

 

Paulo erwartet mich zwar nicht am Ausgang, dafür aber seine ca. 17 Jahre alte Mitarbeiterin Maria, die Englisch spricht und auf mich - Carlos - wartet. Die Anderen (zufälligerweise auch deutsch) sind bereits da. Ich bin zwar nicht Carlos, aber immerhin warten sie noch auf eine dritte Person. Dann machen wir uns auch schon auf den Weg nach Rocinha.

 

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Zuerst schlendern wir durch einige Gassen nahe des Marktplatzs "downtown", bevor Maria uns fragt, ob wir es präferieren die Favela zu Fuß hoch- oder runterzulaufen.

 

Nach kurzer Verwirrung entscheiden wir uns Einstimmig für die Variante - zu Fuß runterzugehen, haben aber keine Ahnung was nun eigentlich auf uns zukommt.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Motortaxi heißt die Antwort und bedeutet, wir schwingen uns hinten auf den Soziussitz eines Motorrades und nageln die Serpentinen in der Favela, nebst südamerikanischem Verkehr", nach hoch!

 

Gesagt getan, der Motorradtaxistand an der Hauptstraße am Fuße des Berghanges von Rocinha ist nicht zu übersehen und hier in der Favela das Mittel der Wahl.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Eigentlich dachte ich, dass ich halbwegs Motorrad fahren kann - weit gefehlt! Dieser Trip führt mir vor Augen, ich bin blutiger Anfänger und der Angstschweiß steht mir auf der Stirn - ich kralle mich mit meinen Händen an den Haltegriffen des Motorrads fest und hoffe auf das Beste...

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Oben auf dem Hügel angekommen bin ich begeistert und möchte noch eine Runde drehen, so schnell kann eine 180 Grad Drehung erfolgen. Das gilt übrigens auch für das Sicherheitsgefühl, ich bin in Rocinha angekommen.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Der Blick über die Favela von hieraus ist grandios und zugleich wird einem beschämend klar, wie groß das Armenviertel Rocinha ist und Rocinha ist nur eine Favela von vielen in Rio, insgesamt leben 30% der ca. 7 Millionen Einwohner Rio de Janeiros in Favelas.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Armenviertel ist jedoch nicht der treffende Begriff, Rocinha ist eine Stadt in der Stadt Rio, es gibt Schulen, Kirchen, Kindergärten, Ärzte, ein Schwimmbad und natürlich alles für den täglichen Bedarf, inklusive diverser Fast Food Ketten.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Je weiter oben auf dem Hügel jemand in der Favela wohnt, umso günstiger ist die Miete, schließlich muss man immer den Hügel hinauf. Ohne eigenes Auto oder Motorrad kann das anstrengend werden, oder es fallen laufende Taxigebühren an.

 

Darüber hinaus gibt es nicht an allen Wochentagen Wasser in den höher gelegenen Wohnungen. Die Menschen pumpen deshalb Wasser in blaue große Tonnen auf den Dächern, um täglich genügend Wasser zu haben.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Die Stromzufuhr ist eine Wissenschaft für sich, aber die Internetleitungen, die machen das ganze erst so richtig unübersichtlich. Es entzieht sich völlig meiner Vorstellungskraft, wie man hier noch den Durchblick behalten kann.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Anscheinend ist auch andauernd etwas an den Leitungen zu reparieren, Defekte sind an der Tagesordnung, aber irgendwie finden die Elektriker immer eine Lösung und weiter geht es.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

In den Gassen abseits der Hauptstraße wird es dann auch schnell eng in der Favela und hin und wieder auch mal ungemütlich, wenn wir spontan auf eine Müllkippe stoßen.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Je weiter wir uns vom Zentrum entfernen, umso unübersichtlicher und enger wird es. Mehrmals kreuzen wir Supermärkte mit 1 Meter schmalen Gassen, die von Männern mit AK 47 bewacht werden, das Bananenmagazin steckt locker vorn in der Hose. Offiziell bewachen Sie den Supermarkt. 

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

So richtig erschließt sich mir das Ganze nicht, Bewachung eines Supermarktes - na klar...

 

Etwas ungemütlicher wird es dann, als einer der bewaffneten wild mit der AK 47 fuchtelnd durch die enge Gasse rennt. Egal, das letzte was man in Rocinha braucht ist ein toter Tourist und wie gesagt, ich fühle mich die ganze Zeit vollkommen sicher, dank Maria, und auch fast alle Menschen lächeln mich freundlich an.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

In der Favela herrschen eben eigene Gesetze, diese gilt es zu respektieren und sich nicht einzumischen, d.h. natürlich auch keine Fotos von den angeblichen Bewachern.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Wie sich herausstellt bin ich inmitten von little Monaco gelandet, so wird die Serpentinenhauptstraße von Rocinha auch genannt.  Hier werden hin und wieder verrückte Motorradrennen ausgetragen, ist bestimmt ein echtes Erlebnis und dennoch würde ich als Motorradfahrer auf die Teilnahme schweren Herzens verzichten...

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Nach knapp drei Stunden sind wir in unserer kleinen Gruppe wieder am Fuße des Hügels angelangt. Die Zeit ist nur so verflogen bei all den neuen und ungewohnten Eindrücken.

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Ich empfehle jesem sich in Rio nicht "nur" die typischen Touristenattraktionen anzusehen, sondern auch ein Favela zu besuchen.

Mittlerweile gibt es auch schon mehrere Backpackerhotels in Favelas. Ein Besuch ist also keineswegs mehr eine verrückte Sache...

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Dennoch würde ich nie ohne Guide eine Favela besuchen und am besten auch nur mit einem local Guide.

 

Während meines Aufenthalts in Rio habe ich noch diverse andere Sehenswürdigkeiten mit einem anderen Guide besucht, allerdings wäre dieser Guide nur mit mir auf die Hauptstraße am unteren Ende von Rocinha gegangen, da er hier kaum Leute kennt und es einfach auch für ihn nicht sicher ist.

 

Es geht in Rio also immer primär darum, mit wem bist Du wo unterwegs und ist diese Person bekannt. 

 

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favela rocinha | rio de janeiro | brasil 2017

 

Probiert es einfach aus, es ist eine bunte neue und unbekannte Welt, im Positiven wie im Negativen, die zum Nachdenken anregt und den Horizont erweitert...

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Kommentare: 2
  • #1

    wrBEIRqX (Montag, 19 September 2022 18:49)

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  • #2

    wrBEIRqX (Montag, 19 September 2022 19:56)

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