Heute haben wir wieder eine ordentliche Tour vor uns: 500 km gen Norden bis nach Aus, auf dem schlechten Pad C13 entlang des mit 1.860 km Länge längsten Flusses Südafrikas, dem Grenzfluss Orange.
reisebericht selbstfahrerreise namibia - der Namib Naukluft nationalpark
Den Entschluss zu dieser Route haben wir nach Lektüre unterwegs unseres Reiseführers gefasst, die Strecke soll landschaftlich besonders reizvoll sein und es wurde nicht zu viel versprochen! Ohne geländegängigen Wagen würde ich das als Unerfahrener jedoch nicht machen.
Bevor es losgeht nur noch mal schnell tanken. Zum Glück ist in Ais Ais die Tankstelle direkt auf dem Campgelände. Zwar ist der Tank noch halbvoll, aber wie bereits erwähnt sollte man ja jede Gelegenheit nutzen.
Das offensichtlich Einfache wird zum Unmöglichen: – „Diesel ist aus“ verkündet der Tankwart aus seinem zahnlosen Mund umgeben von einem Dreitagebart, aber eine Autostunde entfernt, in Rosh Pinah, ist eine Tankstelle. Na gut – schließlich liegt es auf dem Weg und binnen einer Stunde wird der Tank schon nicht leer sein – auf geht’s.
Nach kurzer Zeit tauchen am Horizont bereits, die angekündigten bizarren schwarzen Berge auf – die Landschaft ist echt der Wahnsinn.
Kurze Zeit später erreichen wir die Mündung des Fish River in den Orange River, zur Zeit steuert der Fish River nix zum Orange River bei, aber nun gut.
Vorstellen kann man sich auf jeden Fall, dass schon bei nur ganz wenig Wasser im Flussbett ein Geländewagen definitiv angesagt ist, vom Schlamm mal ganz zu schweigen. Während der Regenzeit ist diese Strecke unvorhersehbar unpassierbar und demnach nur echten Abenteurern vorbehalten.
Kurze Zeit später kommt man sich ein wenig wie am Nil vor, so wie ich es mir vorstelle, denn ich bin noch nie am Nil gewesen. Ein grüner Strich voll Vegetation am Ufer des Orange und ringsherum nichts zu sehen, außer ein paar fast vertrockneten Grasbüscheln.
Das Land scheint nicht nur, sondern ist sehr fruchtbar, wenn es denn mal mit Wasser in Berührung kommt – sehr beindruckend.
Das Pad verengt sich immer mehr und passt sich dem Verlauf des Orange völlig an. Sollte Gegenverkehr kommen, könnte das eng werden, zum Glück begegnet uns die gesamte Fahrt am Orange entlang kein einziges Auto, nur eine Ziegenherde übt den Gegenverkehr – aber die Leitziege hat ihre Bande bemerkenswert im Griff, und so kommt es zu keiner Kollision.
Ob dieses arme Auto Opfer einer Kollision geworden ist, werden wir wohl nie erfahren. Definitiv gibt es kein einziges demontagefähiges Teil mehr, das nenne ich mal effiziente Verwertung...
Die rotbraun gefärbten Berge befinden sich bereits auf südafrikanischem Boden – der Orange bildet hier die natürliche Grenze der beiden Länder. Auf südafrikanischem Boden ist bis auf vereinzelt ein paar Soldaten keine Menschenseele zu sehen – auf namibischer Seite aber auch nicht.
Der Orange führt zur Zeit sehr wenig Wasser, zur Regenzeit werden hier Rafting Touren angeboten - im Moment kaum vorstellbar - und ich frage mich, ob ich hier wohl raften würde, nachdem ich die unglaublich vielen massiven und scharfen Steine im Flussbett gesehen habe.
Nach guten zwei Stunden Fahrt führt uns das Pad C13 gen Norden und weg damit vom Orange River. Es dauert noch eine knappe Stunde bis nach Rosh Pinah – einem Bergwerksort in dem Zink abgebaut wird. Ein verschlafenes Nest mit ca. 2.500 Einwohnern. Ich ertappe mich dabei wie ich „Stoßgebete“ zum Himmel schicke und hoffe, dass es hier wirklich Diesel gibt, ansonsten sind wir geliefert. Unser in Ais Ais noch halbvoller Tank nähert sich dem Grund und ich ärgere mich, dass wir nicht doch auf einen Reservekanister bestanden haben – auf jeden Fall ein „Must“ für die nächste Afrikareise.
Doch wir haben Glück – es gibt Diesel in Rosh Pinah, ein wirklich merkwürdiger Bergwerksort. Noch ein kurzer Tipp bevor es weiter geht auf der Reise: solltet ihr jemals hierher kommen – benutzt bitte nicht die Tankstellentoilette, ganz ehrlich – just don`t.
Der Rest der Strecke ist weniger beeindruckend und so sind wir froh, nach ca. 6 Stunden Fahrt den Rand der Namib Wüste und Aus zu erreichen, ein ebenso verschlafenes Nest auf 1.600 Metern Höhe.
Aus ist definitiv der Ort unserer Reise, von dem wir am wenigsten erwarten. Geplant ist der Zwischenstopp nur da es einfach zu weit bis nachSwakopmund an einem Tag ist. Also fahren wir zum Bahnhofshotel Aus, nicht schwer zu finden zwischen den wenigen Häusern und immerhin einer Tankstelle!
Erstaunlicherweise erwartet uns ein liebevoll restauriertes Bahnhofsgebäude und ein kleines, sehr gemütliches und sauberes Zimmer.
Kaum haben wir auf der Terasse Platz genommen begrüßt, uns auch schon die Inhaberin im perfektem Deutsch und bietet uns Schwarzwälder Kirschtorte oder Kiwi Käsetorte an – wir entscheiden uns für Kiwi. Grotesk, wir sitzen hier in the middle of nowhere und essen unglaublich guten Käsekuchen deutscher Art, Schwarzwälder Kirschtorte verkrafte ich in Afrika einfach nicht...
Nebenbei erfahren wir noch, dass Bernd – der Mann der Inhaberin – jeden Nachmittag eine Aus Tour anbietet. Also nichts wie los! Und ich dachte schon, ich würde mich hier langweilen – weit gefehlt, wie sich noch herausstellen wird...
Bernd – seines Zeichens Einheimischer Namibianer, der das Hotel mit seiner Frau seit einigen Jahren betreibt – startet täglich gegen 15:30 mit seinem Limo-Landi, der Platz für 10 Personen plus Fahrer bietet.
Nach ersten allgemeinen Ausführungen zu Aus, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Rolle der Eisenbahn nähern wir uns einer historischen Stätte.
Im ersten Weltkrieg gab es in Aus für deutsche Schutztruppen ein Internierungslager (welches heutzutage ein National Monument darstellt). Insgesamt 1.550 Gefangene waren zuerst in Zelten untergebracht, bevor sie sich aus selbstgebrannten Ziegelsteinen kleine Häuschen mauerten und unter Nutzung eigener Wasserleitungen Gemüseanbau betrieben. Mit Abschluss des Vertrages von Versaille wurden die Gefangenen nach 4 Jahren freigelassen.
In näherer Umgebung liegt auch ein Soldatenfriedhof. Normalerweise liegt mir nichts ferner als Aufnahmen eines Friedhofes zu machen, doch dieses Bild zog mich irgendwie an, dieser verlassene Ort inmitten der Steppe und dann dieses gleißende Gegenlicht. Ich mag das Bild, auch wenn ich ansonsten Friedhöfe meide.
Auf der Weiterfahrt hatten wir dann eine Begegnung der besonderen Art, im Sinne von selten – wir hatten das Glück ein Paar Namib-Wildpferde zu sehen.
Es gibt diverse Theorien über die Herkunft der Namib-Wildpferde und niemand kennt die genaue Anzahl der Tiere – geschätzt wird eine Zahl von 250 bis 300 Tieren, welche sich an die ariden Bedingungen der Namib angepasst haben. Es wird vermutet, dass die Namib-Pferde ca. 6 Tage ohne Wasser auskommen können, während ein nicht-adaptiertes Pferd max. 3 Tage ohne Wasser aushält.
Wahrscheinlich bildeten den Ursprung der Namib-Wildpferde eine entlaufene Herde einer Pferdezucht bei Kubub, zu der später entlaufene Pferde der südafrikanischen Armee gestoßen sind, welche 1915 bei Gharub entlaufen sind.
Es ist keinesfalls sicher, diese seltenen Pferde auf seiner Reise zu sehen, selbst Einheimische sehen die Tiere oftmals über Wochen und Monate nicht. Glück dem, der nah genug für ein gutes Photo herankommt. Wir sehen die Wildpferde immerhin aus der Ferne und für ein Photo reicht es auch noch, wenn auch für kein gutes – es war trotzdem ein toller und bewegender Moment.
Die Weiterfahrt führt uns über immer verlassenere Wege, welche anspruchsvolleres 4x4 Fahren erfordern immer tiefer in die Namib Steppe um Aus. Dann biegt Bernd ganz vom Pfad ab und fährt querfeldein. Niemand ahnt, was der Mann vorhat, insbesondere da er direkt auf einen massiven Berg zusteuert, der wie ein riesiges halb in der Erde versenktes Ei aussieht und dessen Steinoberfläche vollkommen glatt ist. Irre, so etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen!
Bernd beginnt dieses monströse Ei mit seinem Landi zu erklimmen mit dem lapidaren Kommentar ein Namibianer versucht immer, soweit es irgend möglich ist mit seinem Geländewagen zu kommen.
Mir steht aufgrund des Winkels des Wagens, dem Heulen des Motors und dem Knarzen der Reifen der Schweiß auf der Stirn und den anderen glaube ich auch, aber was solls. Nach 10 bangen Minuten haben Bernd und sein Landi tatsächlich das Riesenei erklommen, ohne einen Achsschaden zu erleiden und wir staunen nicht schlecht über die Aussicht.
Mit Kamera und kühlem Windhoek Lager erklimmen wir den letzten Anstieg, um gemeinsam auf den Sonnenuntergang zu warten. Das Leben kann so einfach und schön sein auf einem Berg in der Namib und mit einem eiskalten Windhoek Lager in der Hand, ganz ehrlich, mehr braucht es nicht – und dann dieser Ausblick...
Bernd erklärt uns, dass die Namib in diesem Bereich zur Zeit sehr grün ist, da es im Winter mehrfach ein wenig geregnet hat, was ansonsten äußerst selten der Fall ist. Ich bin hin und weg von diesem Ausblick und versuche diesen Moment unter Verrenkungen auf dem Felsvorsprung festzuhalten.
Die Sonne steht binnen Minuten ganz tief und die Schatten werden extrem lang.
Schließlich fällt die Sonne in Sekunden hinter den Horizont und taucht den Himmel in ein Farbenmeer.
Der Himmel glüht förmlich und imaginäre Nebelschwaden liegen über der Weite. Einer meiner persönlichen Highlight Momente dieser Reise.
Gegen 19:30 Uhr sind wir wieder zurück im Bahnhof, gerade rechtzeitig zum Abendessen, welches äußerst schmackhaft und preislich sehr fair ist. Wer möchte kann in der stilechten Bar nach dem Essen noch einen Absacker nehmen und dann in das wirklich gute Bett fallen. Wir haben uns sehr wohl gefühlt im Bahnhofshotel Aus und nicht nur, weil wir nichts erwartet haben. Dieser Bahnhof ist definitiv einen Stopp wert. Wer hier übernachtet sollte unbedingt pünktlich zur Aus Tour um 15:30 angereist sein. Wer Aus nur passiert, der sollte auf jeden Fall kurz auf der Bahnhofsterrasse verweilen und ein Stück Kuchen essen!
Leider ist eines der photographischen Highlights in dieser Region an mir vorbeigegangen, obwohl es ein absolutes „muss“ ist und ich mich bis heute gräme. Die Rede ist von der in der Wüste versinkenden deutschen Stadt Kolmanskuppe, ein Relikt aus der deutschen Kolonialzeit Anfang des 20. Jahrhunderts und der Zeit des Diamantenbooms. Kolmanskuppe liegt am Rande des riesigen Diamantensperrgebiets im Westen.
Nachdem alle Diamanten abgebaut waren wurde Kolmanskuppe zur Geisterstadt, weil der Diamantenabbau sich weiter südwärts verlagerte. Demnach gibt es im Diamantensperrgebiet diverse „Kolmanskuppes“, die jedoch aufgrund der Sperrung nicht zugänglich sind.
Die verlassene Stadt liegt ca. 12 km vor Lüderitz und wird langsam wieder von der Wüste zurückerobert. Die zerfallenden Häuser sind begehbar, darin befinden sich bereits ausgeprägte Sanddünen und vereinzelte zurückgelassene Einrichtungsgegenstände.
Hier kann man seiner photographischen Kreativität freien Lauf lassen, Highlight der besonderen Art sind die teilweise noch erhaltenen Tapeten.
Kolmanskuppe liegt ca. 1 Autostunde auf asphaltierter Straße von Aus entfernt – lasst Euch dieses Highlight nicht entgehen. Ich muss noch ein wenig warten, bis dieser Traum in Erfüllung geht...
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wrBEIRqX (Montag, 19 September 2022 19:03)
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